Der Profilbereich „Soziale und kulturelle Dynamiken in der Weltgesellschaft“ beschäftigt sich mit zentralen gesellschaftlichen Entwicklungen vor dem Hintergrund einer sich verdichtenden Globalisierung, d.h. einer zunehmenden sozialen, ökonomischen, politischen und kommunikativen Vernetzung von immer mehr Teilen der Welt, die zugleich wachsenden gesellschaftlichen Fragmentierungsprozessen verbunden ist. Dabei stehen Wandlungsprozesse von Bevölkerungen und Mitgliedschaftsformationen im Spannungsfeld zwischen sozialen Institutionen und individuellen Freiheiten, sowie Konflikte um Migration, Familien und Nachhaltigkeit in den atlantischen Gesellschaften, insbesondere Europa sowie Nord- und Südamerika, im Mittelpunkt.
Durch die Zunahme weltweiter Güter-, Informations- und Migrationsströme, sowie der wachsenden Rolle internationaler Organisationen in Politik und Wirtschaft verändern der Nationalstaat bzw. nationalstaatlich definierte Institutionen für viele Menschen ihre Bedeutung als zentrale Bezugsräume ihrer Lebensentwürfe und -möglichkeiten. Globalisierungsprozesse in den Bereichen der Ökonomie und Politik generieren neue Fragilitäten dieser Institutionen und Strukturen und führen zu einer zunehmenden Komplexität und subjektiven Unvorhersehbarkeit auch der naheliegenden Zukunft. Gesellschaftliche Prozesse im eigenen Land lassen sich kaum noch ohne ihre internationale Einbettung adäquat verstehen. Gleichzeitig führen diese Prozesse aber auch zu einer Pluralisierung sozialer Institutionen und zur Implementierung neuer subnationaler Einheiten, wie z.B. vermehrter regionaler Autonomiebestrebungen, oder der Ausbildung regionaler Identitäten über nationalstaatliche Grenzen hinweg.
Angesichts der skizzierten Prozesse wird die nationalstaatlich verfasste Gesellschaft zu einem Bezugspunkt unter anderen in der sozialwissenschaftlichen Analyse und Theoriebildung zur Weltgesellschaft. Damit muss die in der soziologischen Begrifflichkeit dominierende Vorstellung von Gesellschaften als klar voneinander zu unterscheidende und separat zu behandelnde Untersuchungseinheiten kritisch hinterfragt werden. Zudem zeigen die gegenwärtigen Entwicklungen (beispielsweise das rasante Wachstum fundamentalistischer religiöser Strömungen in vielen Regionen), dass die Globalisierung keineswegs schlicht als ein Prozess der Modernisierung oder Verwestlichung der Welt verstanden werden kann. Die sogenannte "westliche Welt" darf deshalb nicht als Maßstab und Zielvorgabe für Entwicklungen in anderen Teilen der Erde verwendet, die regionalen Entwicklungen müssen vielmehr sowohl in ihren Verknüpfungen als auch in ihren Eigenlogiken verstanden werden. In diesem Sinne formulieren Versuche der „Provinzialisierung“ Europas ebenso wie post-koloniale Theorien Gegenmodelle zu klassischen Modernisierungsansätzen.
Der Profilbereich untersucht vor diesem Hintergrund aus einer Kultur vergleichenden, historisch informierten, theoretisch und methodisch pluralen Perspektive die Grundlagen und Dynamiken sozialen und kulturellen Wandels in europäischen wie außereuropäischen Gesellschaften.